„Ich nehme lieber eine schlechte Google-Bewertung in Kauf, als mein Team kaputtmachen zu lassen“

Von der Klinik in die Selbstständigkeit – mit Anfang 30. Dr. med. vet. Philipp Dautzenberg ist seit 2022 Mitinhaber des Kleintierzentrum Alte Druckerei Dr. Rüttgers & Dr. Dautzenberg in Herzogenrath. Mit uns spricht er über seinen Alltag als Tierarzt, über emotionale Extremsituationen und die große Frage: Wie kann Tiermedizin in Zukunft menschlicher und nachhaltiger werden?

Warum sind Sie Tierarzt geworden,  Herr Dr. Dautzenberg?

Ich wollte einen Beruf, der den direkten Kontakt mit Menschen und Tieren mit wissenschaftlichem Arbeiten verbindet – und das bietet die Tiermedizin. Ich bin mit Tieren groß geworden, meine Eltern hatten viele. Schon als Schüler habe ich regelmäßig in einer Tierarztpraxis gearbeitet und diverse Praktika gemacht. Das hat mich geprägt. Heute finde ich vor allem die Mischung aus Kundenkontakt und medizinisch-wissenschaftlicher Arbeit spannend. Die Tiermedizin hat sich zudem stark weiterentwickelt – wir arbeiten mittlerweile auf einem Niveau, das mit der Humanmedizin vergleichbar ist. Und, ehrlich gesagt: Tiere sind oft die angenehmeren Patienten.

Was hat sich in den letzten Jahren in der Tiermedizin verändert?

Der Anspruch der Kunden ist gestiegen – besonders im Kleintier-Bereich. Heute erwarten viele eine vollumfängliche medizinische Versorgung. Dinge wie Ultraschall, Röntgen, In-House-Labor oder Endoskopie sind mittlerweile Standard. Vor 10–15 Jahren war das in vielen Praxen noch nicht der Fall. Ich denke, in zehn Jahren wird auch das CT zum Standard gehören. Tiere haben heute in vielen Familien einen anderen Stellenwert – sie sind Familienmitglieder. Und das spiegelt sich im medizinischen Anspruch wider.

Dieser gestiegene Anspruch – ist das auch eine Belastung für die Tierärzt*innen?

Absolut. Ich bin gerade 30, relativ jung in die Selbstständigkeit gegangen – das war schon eine Herausforderung. Viele junge Tierärzt*innen wurden in den letzten Jahren „verheizt“, vor allem in großen Kliniken. Es wurde zu viel gearbeitet, oft außerhalb des Arbeitszeitgesetzes.

Außerdem tragen wir eine hohe emotionale Last. Wir treffen regelmäßig Entscheidungen über Leben und Tod – das ist eine große Verantwortung. Hinzu kommt der emotionale Druck seitens der Kund*innen: viele Nachfragen, E-Mails, Telefonate. Wir leisten neben medizinischer auch viel „Verbaltherapie“.

Was hilft? Eigene Grenzen kennen. Sich von toxischen Kundinnen trennen.

Ich nehme lieber eine schlechte Google-Bewertung in Kauf, als dass mein Team unter der Stimmung leidet. Wenn jemand meine Kolleginnen respektlos behandelt, ist für mich eine Grenze erreicht – und dann schließe ich solche Personen auch als Kund*innen aus. Ich habe Verantwortung für mein Team.

Sie haben sich früh selbstständig gemacht. Was würden Sie Berufsanfänger*innen raten, die das auch vorhaben?

Man muss es wirklich leben – zu 100 Prozent. Das heißt, 13- bis 14-Stunden-Tage, wenig Privatleben. Dafür braucht es ein stabiles Umfeld, auch privat. Sonst geht das nicht. Natürlich hat Selbstständigkeit auch Vorteile, vor allem langfristig.

Viele scheitern an der Praxisübernahme, nicht zuletzt wegen Konflikten mit den Altinhaber*innen. Wir haben dann eine komplett neue Praxis gegründet. Das war ein riesiger Umbau, mit vielen unvorhergesehenen Kosten – ein wilder Ritt. Dazu kommt das Finanzamt, das regelmäßig anklopft. Ohne solide Planung geht das nicht.

Wie sieht ein typischer Arbeitstag bei Ihnen aus?

Ich stehe zwischen 5.30 und 6.00 Uhr auf, bin gegen 7.30 Uhr in der Praxis. Wir haben täglich Sprechstunde und OPs – das läuft parallel. Mittags gibt es eine Stunde Pause, dann weiter bis 18.30 oder 19.00 Uhr. Danach kommen Büroarbeit, Telefonate, Befundbesprechungen. Ein Arbeitstag geht meistens bis 20.00 Uhr.

Wir haben uns einen Tag pro Woche freigehalten – das ist auch wichtig, um private Dinge zu erledigen. Ich bin gerade Papa geworden, da wird die Zeit noch knapper. Insgesamt komme ich auf 50–60 Stunden pro Woche.

Herzlichen Glückwunsch zum Papa-Werden! Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Tiermedizin in Deutschland?

Mehr Kundinnen sollten eine Tierkrankenversicherung abschließen. Es wäre eine große Entlastung, weil dann weniger finanzielle Diskussionen entstehen. Außerdem wünsche ich mir mehr Kollegialität unter Tierärztinnen.

Es gibt immer noch viel Konkurrenzdenken und Preis-Dumping. Wir arbeiten mit einem angepassten GOT-Satz, um regelmäßig neue Investitionen zu tätigen, unser Personal fair zu entlohnen und stetig hochwertige Fortbildungen wahrzunehmen und unserem Personal zu ermöglichen, damit wir eine moderne Medizin anbieten können. Es gibt leider noch einige Praxen, welche noch mit dem einfachen GOT-Satz abrechnen – manche unterschreiten die Sätze sogar. Das macht es schwer für junge Praxen wie unsere, die investieren und Standards halten wollen.

Ein anderer Kollege sprach von wachsender Bürokratie. Wie sehen Sie das?

Ich finde, manche bürokratischen Anforderungen helfen sogar, Standards zu etablieren. Gerade in der Dokumentation. Natürlich sind manche Vorgaben praxisfern, aber vieles diszipliniert und schützt letztlich auch uns selbst. Es geht um Verantwortung – etwa beim Einsatz von Antibiotika.

Kommen wir zu Vetera. Wofür nutzen Sie das System hauptsächlich?

Für Terminplanung, Abrechnung, Dokumentation, Medikamentenverwaltung und die Integration von Labor, Röntgen und Ultraschall. Besonders wichtig ist für uns die zentrale, strukturierte Patientenakte – auch für Notfälle. Ich mache sogar meine Buchhaltung mit Vetera. Der Monatsabschluss dauert bei mir nur eine halbe Stunde, das ist sehr effizient.

Warum haben Sie sich für Vetera entschieden?

Ich kannte es schon aus anderen Praxen. Im Vergleich zu anderen Systemen ist es sehr benutzerfreundlich und leicht zu erlernen – auch für neues Personal. Das ist für uns ein großer Vorteil.

Vielen Dank für das spannende Gespräch, Herr Dr. Dautzenberg!