Tierarzt sein bedeutet nicht nur heilen – im Alltag werden Krisenmanagement und der richtige Umgang mit hohen Erwartungen immer wichtiger. Christian Protz, Inhaber und Geschäftsleiter der Kleintierpraxen Süderelbe und von Tiermedica, einem Großhandel für Verbrauchsmaterialien und Medizinprodukte für den Veterinärbedarf, hat den Wandel des Berufs in den letzten Jahren selbst erlebt. Mit uns hat er über den Spagat zwischen Medizin und Management, den Druck durch Kunden und Bürokratie gesprochen – und warum Gemeinschaftspraxen das Zukunftsmodell sein könnten.
Ursprünglich hatte ich ganz andere Pläne. Ich habe mit Schauspiel, Pilotenausbildung und BWL angefangen, aber das war alles nicht ganz das Richtige. Und dann wurde es eben die Tiermedizin. Aus Tierliebe und vielleicht, weil ich Katzen hatte. Im Nachhinein war es eine gute Entscheidung – auch wenn sich der Beruf ganz anders entwickelt hat, als ich mir das vorgestellt hatte.
Die Realität ist weit entfernt von der romantischen Vorstellung, die Serien wie Der Doktor und das liebe Vieh vermitteln.
Man bekommt Druck von allen Seiten und muss alles in Einklang bringen: Das enorme Anspruchsdenken vieler Kunden, gleichzeitig soll es nichts kosten. Kostensteigerungen bei Medikamenten, Geräten und auch berechtigte Gehaltsvorstellungen von TFAs. Das ist schon manchmal herausfordernd.
Christian Protz, Inhaber Kleintierpraxen Süderelbe
Meine erste Stelle war in Köln – 1.500 Euro brutto inklusive Nachtdienste. Dafür steht heute keiner mehr auf. Das hat sich zum Glück verändert. Aber die Tiermedizin hinkt der Humanmedizin immer noch weit hinterher. Das liegt auch daran, dass unsere Vorgänger oft nicht betriebswirtschaftlich gedacht haben und auf Kosten des Personals die Preise niedrig gehalten haben. Wenn man die Menschen fair bezahlen möchte, klappt das heute nicht mehr. Dann natürlich die Digitalisierung: Der Standard der Technik hat sich der Humanmedizin deutlich angeglichen. Wenn ich mir das Ultraschallgerät bei meinem Hausarzt anschaue, ist unseres um Generationen besser. Und eben die Erwartungen der Tierbesitzer – sie wollen das Beste für ihr Tier.
Als ich Kind war, musste bei unseren Katzen schon was Arges vorliegen, dass meine Eltern zum Tierarzt gegangen sind. Heute ist das anders, die Tiere sind oft fast Kinderersatz. Wobei sich das durch die wirtschaftliche Großwetterlage wieder etwas eingependelt hat.
Im Endeffekt müssen alle laufen lernen. Wichtig ist, die Basics zu lernen, ob das in einer Klinik oder Praxis ist. Für mich selbst kam es nie in Frage, dauerhaft angestellt zu bleiben. Ich mache gerne mein eigenes Ding, und das geht am besten, wenn man selbstständig ist. Man gewinnt Freiheiten zum Preis von Verantwortung. Für alle, die den Schritt in die Selbstständigkeit wagen wollen:
Wichtig ist, einen guten Businessplan zu machen – nicht für die Bank, sondern für sich selbst. Sich nicht immer nur auf das Bauchgefühl verlassen, sondern über manche Entscheidungen auch mal eine Nacht schlafen. Aber auch nicht zu lange nachdenken, weil sich dann vielleicht eine Tür schließt, die sich gerade einen Spalt geöffnet hat.
Christian Protz, Inhaber Kleintierpraxen Süderelbe
Die Gelegenheit war da. Nach der zweiten Praxis habe ich gesagt: „Nie wieder.“ Und dann habe ich die dritte doch gegründet. Aber ich hab’s nicht nochmal genauso gemacht, sondern komplett neu gegründet. Aber beides war herausfordernd – sowohl eine Praxis zu übernehmen, als auch das Kleintierzentrum neu zu gründen. Den zweiten Standort habe ich mittlerweile in den dritten integriert.
Für die Behandlungserfassung, Abrechnung, Diagnosen, Laborbefunde, Warenwirtschaft. Und natürlich die Statistiken – die sind für mich besonders wichtig.
Als der zweite Standort dazukam, brauchte ich eine Software, die mehrere Standorte abbilden kann. Vetera war damals die beste Lösung.
Die Tierärzte haben eine große Verantwortung, wollen heilen, retten, medizinisch versorgen und bekommen zusätzlich Druck von den Tierbesitzern und vielleicht auch noch von ihren Vorgesetzten. Sie müssen sich um Personal kümmern, und ich habe das Gefühl, dass das Verantwortungsbewusstsein bei einigen jungen Menschen etwas abgenommen hat, das macht die Personalplanung auch schwieriger. Die TFAs bekommen vorne an der Anmeldung den Frust der Tierbesitzer noch stärker ab als die Ärzte.
Die Einzelkämpfer werden weniger werden, es wird mehr Ketten und Gemeinschaftspraxen geben. Das führt zu einer besseren Work-Life-Balance für die Ärzte.
Bürokratieabbau, ganz klar. Wir müssen jetzt einen erhöhten Dokumentationsaufwand auch im Kleintierbereich fahren, die alte Bundesregierung wollte das auf EU-Recht zurückführen, aber Deutschland möchte das wieder besser machen (lacht). Und deshalb müssen wir schon dieses Jahr ran. Es wäre toll, wenn nicht der halbe Arbeitstag damit draufgeht, etwas zu dokumentieren, das sich dann nie wieder jemand ansieht. Die Historie der Befunde macht natürlich Sinn, aber nicht jedes einzelne Medikament.